Details

Prause 404.

Literatur:
Marianne Prause, Carl Gustav Carus: Leben und Werk, Berlin 1968, S. 173, Kat.-Nr. 404 (ohne Abb. und mit abweichenden Maßen).

Provenienz:
Laut Prause: „angeblich Kunsthandel Rusch, Dresden, 1940-44“;
Privatbesitz, Berlin.

Beschreibung

Carl Gustav Carus war als einer der vielseitigsten Universalgelehrten des 19. Jahrhunderts eine echte Mehrfachbegabung: Er war Arzt, Psychologe, Kunsttheoretiker, Naturphilosoph, Forscher, Sammler und auch Maler. 1789 in Leipzig geboren, begann er dort 1806 ein Medizinstudium, besuchte aber auch die Akademie, an der zu jener Zeit Friedrich August Tischbein und Hans Veit Schnorr von Carolsfeld unterrichteten. Nach Promotion und Habilitation wurde er 1814 als Professor für Gynäkologie nach Dresden berufen, wo er Caspar David Friedrich kennenlernte, mit dem ihn ab 1817 eine enge Freundschaft verband. Der ernste Romantiker Friedrich übte zunächst großen Einfluss auf Carus aus, doch bemerkte bereits vor knapp hundert Jahren Paul Ferdinand Schmitt, dass „man wohl zu viel Nachdruck auf den Einfluß [legt], den er [Friedrich], der Reifere, der berufsmäßige Künstler, auf den dilettierenden Arzt ausübte. […] Carus ist in allem Naturnachahmenden als ernsthafter Schüler von Klengel und weit mehr im Wetteifer mit Dahl und Öhme als mit Friedrich zu achten.“ Tatsächlich ist auch vorliegende Naturstudie geeignet, dieses Urteil zu bestätigen: Carus zeigt als Ausschnitt, gleichsam im Sinne des romantischen Fragments, einen von Weiden umstandenen Weiher – ein eigentlich anspruchsloses Motiv, doch macht Carus daraus ein besonderes Stück Malerei. Hälftig ist die Bildfläche aufgeteilt – der obere Teil zeigt das mit gegeneinander verschränkten Weiden gesäumte Ufer und die im Schatten liegenden Wiesen, erst im Hintergrund bricht die Sonne herein und gibt den Blick auf Wald und blauen Himmel frei. Die untere Hälfte nimmt dagegen die Wasserfläche ein, auf der sich die Weiden und der blaue Himmel in einer Weise spiegeln, dass im unteren Teil mehr Himmelsblau sichtbar ist als oben. Die lockere, spontane Ausführung betont die Unmittelbarkeit des Natureindrucks als malerischen Ausdruck des Gesehenen.
Viele solcher Studien mit unscheinbarer Vegetation oder Landschaft, in denen Carus seine Seherfahrungen unmittelbar umsetzt, werden in die Zeit nach etwa 1835 datiert, nachdem er 1832 ein Landhaus am Rande von Pillnitz erworben hatte. Carus war 1827 zu einem der Königlichen Leibärzte des sächsischen Königs ernannt worden und hatte infolgedessen häufig Dienst in dessen Sommerresidenz Schloss Pillnitz. Der Erwerb des Landhauses brachte ihn nicht nur in die unmittelbare Nachbarschaft zu seinem Dienstherrn, sondern bot ihm auch die Gelegenheit zu ausgedehnten Wanderungen in die Umgebung, auf denen er zahlreiche Möglichkeiten fand, sich den vielfältigen Erscheinungen der Natur zu nähern. In der Abgeschiedenheit von Pillnitz machte er sich zunehmend mit der Praxis der reinen Ölstudie vor der Natur vertraut und brachte es in dieser Technik zu einer erstaunlichen Fertigkeit. Unter den in Dresden ansässigen Malern waren es vor allem der Norweger Johan Clausen Dahl und Friedrich Gille, die Studien vor der Natur in Öl malten. Während Carus letzteren wohl nicht kannte, pflegte er mit Dahl seit 1819 eine lose Freundschaft, die durch die Vermittlung Caspar David Friedrichs zustande gekommen war. Zwar stand Carus dem Werk des Norwegers nicht vorbehaltlos gegenüber, doch schrieb er 1820 anlässlich eines Besuches in dessen Atelier an seinen Freund in Halle, den Dichter und Übersetzer Gottlob Regis, dass Dahl „mit ganz ausserordentlicher Fertigkeit und sehr reinen etwas bunten Farben die mannigfaltigsten Landschaften [malt]. Immer hatte ich die ausnehmende Kraft und Gewandheit in der Führung des Pinsels, die Fertigkeit in richtiger Brechung der Farben und die Wahrheit vieler einzelner Gegenstände, besonders die Vordergründe in seinen Bildern bewundert.“ Man kann auch unser kleines Gemälde als Ausdruck dieser Bewunderung verstehen, doch hatten solche Naturstudien für Carus noch anderen Anspruch: Er hatte bereits 1824 in seinen Briefen über Landschaftsmalerei die Vernachlässigung des Naturstudiums an den Akademien beklagt und die Notwendigkeit solcher Studien betont, weil der Landschaftsmaler sich dadurch mit der inneren Gesetzmäßigkeit der Pflanze vertraut mache, die dem Aufbau des Gewächses zugrunde liegt. Nur die Kenntnis der inneren Struktur der Vegetation würde ihn verleiten, eine gewisse Ehrfurcht vor der Schöpfung Gottes zu bewahren.
Dr. Peter Prange

Mit einem schriftlichen Gutachten von Professor Dr. Helmut Börsch-Supan, Berlin, vom 23.9.2019.

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