Details

Das Gemälde ist unter der Nummer „S 67“ in der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, München, verzeichnet (verso mit den kleinen Etiketten). Es wird von der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung in das Werkverzeichnis der Gemälde von Gabriele Münter aufgenommen.

Ausstellung:
Gabriele Münter 1877-1962. Malen ohne Umschweife, Lenbachhaus, München u.a. 2018/19, Kat.-Nr. 146, mit farb. Abb.

Provenienz:
Nachlass der Künstlerin, verso mit dem Stempel (nicht bei Lugt);
Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, München;
Privatsammlung, München, direkt von Vorgenannter durch Schenkung 1980 an den jetzigen Besitzer.

Beschreibung

• Das Gemälde verbindet gleich drei für Münters Œuvre bedeutende Motivkreise: Stillleben, Volkskunst und Kinderkunst
• Als Bild im Bild ist Münters „Haus (nach Kinderzeichnung)“ zu erkennen sowie zwei volkstümliche Schnitzfiguren
• Aus der späten Zeit des Blauen Reiters, dessen Künstler die verschiedensten Kunstformen abseits des Akademischen rezipiert und ebenbürtig in die eigene Kunst miteinbezogen haben

Gabriele Münters „Stillleben mit X-Bier“ ist ein faszinierendes Bild. Mittig steht ein Glas Bier auf einem Tisch, daneben zwei Bierflaschen mit einem Etikett, auf dem ein auffälliges rotes X prangt. Den Hintergrund bilden vier kindliche Zeichnungen oder Gemälde. Die geschnitzte Figur eines Paares, eines Manns und einer Frau, kehrt den fröhlichen Kinderbildern den Rücken zu. Wie passen diese Dinge zusammen?
Münter malt das Gemälde im Jahr 1914 – das Jahr, das zu einer historischen Zäsur und auch zu einem tiefen Einschnitt in ihrer Beziehung zu Kandinsky führen wird. Das Gemälde entsteht wahrscheinlich noch in München, denn die Künstlerin hätte auf ihrer Flucht aus Deutschland nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges diese Kinderbilder wohl nicht mitnehmen können.
Seit 1908 sammeln Münter und Kandinsky Kinderbilder, Zeichnungen der Kinder ihrer Freunde, Bekannten und Familienmitglieder. Münter fasziniert der unschuldige Blick des Kindes, das viele Dinge zum ersten Mal sieht und daher intensiver wahrnimmt, und die fantasievollen Bildwelten der Kinderzeichnungen. Sie selbst möchte „das angesichts eines äußeren Eindrucks Gefühlte“ ausdrücken, also Unsichtbares vermitteln. Die ungefilterten Gefühle, die Kinder wiedergeben, die Vereinfachung der Formen, die Konzentration auf das für das Kind Wesentliche entsprechen Münters Vorstellung der Kunst. Kinderzeichnungen sind zeitlos und für jede Kulturgruppe verständlich. Somit helfen sie auch, eine universelle Bildsprache zu schaffen.
Münter ist von dieser Kunst so fasziniert, dass sie die Bilder nicht nur sammelt, sondern teilweise nachzeichnet oder auch in Öl nachmalt. Dieses Kopieren erlaubt Münter, sich der Bildsprache der Kinder anzunähern.
Im vorliegenden Stillleben hat Münter ihre eigene Kopie eines Kinderbildes eingebaut. Dieses Bild im Bild ist ein besonderes Zeugnis von Unschuld und Sorglosigkeit: Eine Sonne strahlt über einem Haus, ein blaues Wolkenband zieht sich wie ein Regenbogen über den Himmel. Es ist diese Unbekümmertheit, diese Leichtigkeit, die jetzt, wohl kurz vor oder kurz nach Ausbruch des Krieges, in Frage steht. Das ist es, was das Paar, das aus dem Bild zu schreiten scheint, zurücklassen muss. So wie auch Kandinsky, der als Ausländer bei Ausbruch des Krieges Deutschland sofort verlassen muss. Münter wird mit ihm gehen. Zurück bleiben die kindliche Sorglosigkeit und das geteilte Bier der bayerischen Zeit mit Kandinsky.

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